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Afghanistan: Jetzt erst recht!

Posted in Afghanistan, Bundeswehr, Innere Sicherheit, Sicherheitspolitik, Strategie by analyticsdotcom on 18/04/2010

Es war schon eigenartig: Als Angela Merkel am 9. April 2010 zum ersten mal während ihrer gesamten Amtszeit als Kanzlerin eine Trauerrede für die drei gefallenen Soldaten hielt, dachten viele Soldaten und Reservisten: Es wird auch langsam Zeit für die Kanzlerin sich politisch endlich dazu zu bekennen und für die Soldaten und deren Einsatz auch in der Öffentlichkeit uneingeschränkt einzustehen. Die 25, 28 und 35 Jahre alten Fallschirmjäger waren bei einem Gefecht mit Taliban am 2. April 2010 in der Nähe der afghanischen Stadt Kundus getötet worden. Es war ein blutiger Karfreitag.

Gerade mal zwei Wochen später – am 15. April 2010 – geraten deutsche Soldaten gemeinsam mit weiteren Soldaten der ISAF während eines schweren Gefechtes in einen feigen terroristischen Hinterhalt. Eine Sprengfalle (IED – Improvised Explosive Device) wurde von den Taliban gezündet. Vier deutsche Soldaten, ein 33-jähriger Oberstabsarzt aus Ulm, ein 38- jähriger Major aus Weiden (Bayern) und zwei 24 und 32 Jahre alte Soldaten aus Ingolstadt (Bayern) fallen. Fünf weitere Soldaten werden verletzt.

Alle politischen Parteien sind betroffen von den tragischen Ereignissen der letzten Tage und gedenken den Gefallenen. Nur die Linke-Fraktion im Bundestag kritisierte das Gedenken an die getöteten Soldaten. «Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Trauer um den Tod der drei Soldaten instrumentalisiert wird, um den Krieg in Afghanistan noch offensiver führen zu können und die Bundeswehr noch besser dafür auszurüsten», erklärte deren abrüstungspolitische Sprecherin Inge Höger. Manch ein Soldat denkt bei solchen Worten spontan: „Wo bleibt jetzt das «friendly fire»?“

Eine neue Qualität des Kampfes

Vom „Stabilisierungsauftrag“ über „kriegsähnliche Zustände“ bis zum „Krieg“. Oder: Alter Wein in neuen Schläuchen.

Die Gefechte in Afghanistan haben seit Monaten eine neue Qualität bekommen. Die Ignoranz der deutschen Regierung und Opposition seit Beginn des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr das Richtige zur richtigen Zeit zu tun und mit geeignetem Material und entsprechendem Einsatzauftrag als „Armee im Einsatz“ zu führen, ist kaum noch zu überbieten. Der politische postulierte Rechtsanspruch für die in den Medien von vielen Politikern vielzitierte „Parlamentsarmee Bundeswehr im Einsatz“ mag zwar rechtlich bestehen, der moralische Führungsanspruch des Parlamentes ist jedoch schon längst verfallen.

Die bisher gezeigte politische Führungsqualität einer Armee im Einsatz bis hinunter zur Diskussion um Detailfragen zu taktischen Bundeswehr-Operationen im Einsatzland haben in der Qualität der parlamentarischen Diskussion – vor und hinter der Bühne – bei vielen deutschen Politikern nicht einmal mehr Hilfsschülerniveau. Qualitativ hochwertige Gedankengänge, Beiträge und Diskussionen sind eher die Ausnahme. Von qualitativ hochwertigem Handeln – dies gilt auch für die in der Vergangenheit zugesagte Polizeiausbildung in Afghanistan – kann kaum ansatzweise die Rede sein.

Jeder „einfache“ Lehrberuf benötigt für gewöhnlich drei Jahre Ausbildungszeit. Doch die Parlamentarier in Regierung und Opposition nehmen für sich jenseits der Grenze von überhaupt noch erträglicher Arroganz in Anspruch weitgehend ungetrübt von jeglicher militärischer Kenntnis eine Parlamentsarmee „führen“ zu wollen. Sobald sich jedoch in irgendeiner Form die Möglichkeit zeigt, auf Grund eines militärischen Einsatzvorfalles einen Untersuchungsausschuss ins Leben zu rufen, kommen alle politischen Populisten – auch aus dem Parlament – aus der Kurve und schreien lauthals nach einem solchen Untersuchungsausschuss.

Der Satz von Kurt Tucholsky „Soldaten sind Mörder“ aus der Glosse „Der bewachte Kriegsschauplatz“ hat nicht nur Linkspopulisten und sogenannte „Friedensfreunde“ in den vergangenen Jahren beflügelt, diese Aussage auf die Bundeswehr zu münzen, sondern hat auch die Gerichte in Deutschland beschäftigt. Dass die Formulierung Tucholskys aus dem Zusammenhang gerissen wurde, interessierte niemanden vom linken Friedenskader wirklich. Denn der Zusammenhang lautet vollständig:

„Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.“

Quadratmeilen Land? Mord? Oder sollte man zeitgemäß eher von Terror, Terrorismus, Mord, Totschlag und subversivem Krieg sprechen? Wieso fällt mir jetzt ausgerechnet Afghanistan ein?

Soldaten sind keine Mörder – zumindest die Allermeisten nicht, ähnlich wie der Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung auch. Aber Parlamentarier sind Mörder, sie sind kollektive Mörder, wenn sie Soldaten in einer Parlamentsarmee in einen Einsatz schicken und nicht mit der richtigen Ausstattung und nicht mit dem richtigen Einsatzauftrag losschicken, mit einem Handwerkszeug, was alle Soldaten in allen Armeen dieser Welt irgendwann einmal erlernt haben. Die Parlamentarier sind nicht nur kollektive Mörder in ihrem Weisungs- und Abstimmverhalten gegenüber den Soldaten der Bundeswehr, nein, sie sind auch weitgehend kollektiv rückhaltlose Feiglinge, die sich lieber am populistischen Wohlwollen ihrer Wähler orientieren, anstatt Klartext zu reden.

Allen gefallenen und verwundeten Soldaten und anderen Kräften des ISAF-Bündnisses in Afghanistan zur Ehre:

Entweder entscheidet sich das deutsche Parlament gemeinsam mit den anderen ISAF-Partnerstaaten endlich zu einem wirkungsvollen, konzertierten Vorgehen im gesamten Bereich aller in Afghanistan identifizierten Probleme, wie Terror/Terrorismus, Waffen- und Drogenhandel, Korruption, Geldwäsche, Armut u.v.m. mit dem gesamten verfügbaren Wirkspektrum aller Sensoren und Effektoren sowie der Behörden und Organisation mit Sicherheitsaufgaben (BOS) oder man verabschiedet sich zeitnah und endgültig aus Afghanistan und überlässt das Land seinem Zerfall. Beide Varianten brauchen politischen Mut.

Dass die letzte Variante eine Armutszeugnis insbesondere für die (politische) NATO ist, braucht keiner besonderen Betonung. Ob die mickrigen zwei Panzerhaubitzen 2000 (PzH 2000), die Minister zu Guttenberg jetzt für den Afghanistaneinsatz „genehmigt“ hat, nur ein symbolisches Zeichen sind und eher zur mentalen Beruhigung der Soldaten dienen sollen, oder ob die Lage jetzt endlich ernst genommen wird, bleibt abzuwarten. Zu Guttenberg hätte mindestens eine Batterie –  mit acht PzH 2000 – nach Afghanistan befehlen sollen. Aber was noch nicht ist, kann ja noch kommen.

Die gefallenen Soldaten macht weder die eine noch die andere Variante wieder lebendig und tröstet auch nicht die Angehörigen. Im Kampfeinsatz zu fallen ist ein tragischer Bestandteil der Gefährdung im Soldatenberuf. Der Tod ist ein ständiger Begleiter im Einsatz, auch wenn er politisch-parlamentarisch gerne verdrängt oder schöngeredet wird.

Gott schütze unsere Soldaten und die unserer Verbündeten sowie aller zivilen Kräfte und Unterstützer im Einsatz!

Ralf R. Zielonka

18. April 2009

2 Antworten

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  1. Harsche, Hptm a.D. said, on 20/04/2010 at 17:14

    Lieber Ralf !

    Was erwartest Du denn von einer Kanzlerin, die Demokratie in der FDJ gelernt hat ?

    Schimpf nicht auf die Neo-Bolschewiki, die jetzt LINKE heißen, die sind so und es gibt keine anderen. Wo waren denn die schlauen Generale und Generalstabs-Offiziere ? Hat von denen mal einer mit der Faust auf den Tisch gehauen ? Nein, das schadet der Karriere !!!

    Bleibt zu hoffen, daß Herr zu Guttenberg die Sache richtet, wenn man ihn denn lässt.

    Gott schütze unsere Jungens da draußen.

    Dein alter „Balkan-Baer“

  2. Peter J Hermann said, on 19/04/2010 at 09:04

    Lieber Ralf, werter Kamerad,
    vielen Dank für Deine passenden und fundierten Worte.

    Mit kameradschaftlichen Grüßen

    Peter J Hermann
    aus Sankt Augustin


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